Der Beitrag nimmt sich vor, einige zentrale Aspekte psychoanalytischer Therapie mit Hilfe des Begriffs der „Anerkennung des Anderen“ zu rekonstruieren. Diese Formulierung erlaubt zwei Lesarten, sie kann als „Anerkennung des Anderen als Mitmenschen“ und als „Anerkennung des Anderen in mir selbst“ verstanden werden. Aus einer psychoanalytischen Perspektive – das wird zu zeigen sein – gehören beide zusammen. Der Begriff der Anerkennung spielt in der Geschichte der Philosophie eine wichtige Rolle. Für eine psychoanalytische Adaptation des Begriff ist dabei insbesondere die streitbare oder aggressive Dimension, der „Kampf um Anerkennung“ also, wichtig. Auch in einer entwicklungspsychologischen Sicht ist Aggressivität für die Anerkennung der eigenen und der fremden Individualität unverzichtbar. Klinisch stellt sich die Frage, wann und warum der Prozess der Anerkennung scheitern kann, die traumatische Erfahrung wird als Beispiel gewählt. Für eine Theorie der psychoanalytischer Therapie kann der Anerkennungsbegriff nutzbar gemacht werden, indem Ziele psychoanalytischer Behandlung mit seiner Hilfe formuliert werden können. Am Ende einer durchaus aggressiven Loslösungs- und Differenzierungsarbeit kann die Liebe stehen, so dass schließlich geklärt werden muss, wie ein psychoanalytischer Begriff der Liebe unter dem Gesichtspunkt der Anerkennung zu fassen wäre.
Ausgabe Imagination 3/05
Autor*in: Prof. Dr. med. Küchenhoff Joachim