Freuds These, dass jede Objektfindung eigentlich nur eine Wiederfindung sei – abgeleitet vom kindlichen Saugen an der Mutterbrust – unterstreicht die tiefe innerpsychische Verankerung dieses Zärtlichkeitsbedürfnisses, wie Alfred Adler es nannte. Melanie Klein, beschrieb später jene phantasiegetriebenen Bedingungen, die aus dem Saugen eine komplexe psychische Liebesfähigkeit entstehen lassen. Dabei spielt die Anerkennung der eigenen Destruktivität und der Wunsch nach Wiedergutmachung als Bestandteil der Liebesfähigkeit eine wesentliche Rolle. Schließlich formulierte Otto Kernberg die Komponenten der reifen Liebesfähigkeit, die es ermöglichen Liebesfähigkeit begrifflich und auch klinisch nützlich zu fassen. Eines der wichtigsten Ziele der analytischen Behandlung ist es, innerpsychische Bedingungen herzustellen, die den Ausdruck einer reifen Liebesfähigkeit in Beziehungen möglich machen. Dabei bedeutet Lieben können nicht bloß Genuss oder Befriedigung zu finden oder zu geben, sondern die Liebesfähigkeit als Potential gerade dort zu erhalten, wo die Befriedigung ausbleibt. Die Liebesfähigkeit offenbart sich dort, wo Ablehnung und Verlust des geliebten Objektes Schmerz und Trauer mit sich bringen, jedoch nicht imstande sind, die Liebe von eigener Destruktivität überfluten zu lassen. Das Wiederfinden des Liebesobjekts, wenngleich oftmals durch obskure Erschwernisse verunmöglicht, einmal als Streit, einmal als Pandemiewelle, bleibt eben als Urerfahrung in uns eine stille aber wirksame Quelle der Hoffnung.
Ausgabe Imagination 1-2/22
Autor*in: Kapusta Nestor D.