Psychotherapeutische Schulen und Vereine: Zwischen Wertschätzung, Gleichgültigkeit, Abwertung und Fanatismus

Gerhard Stumm      

Einer auf das Thema bezogenen persönlichen Reflexion folgt der Blick auf die Ebene der Repräsentanten von Methoden und Ausbildungseinrichtungen in Österreich. Dabei offenbaren sich nicht nur Vielfalt, sondern auch Spannungsfelder: Neben einigen Kooperationsansätzen überwiegt zwischen den Schulen Desinteresse – so eine Hauptthese. Innerhalb der psychotherapeutischen Schulen und ihrer institutionellen Träger sind – dies als eine weitere Annahme  – die größten Konflikte anzutreffen. Hier können sich, beispielhaft angedeutet, inhaltliche Divergenzen und persönliche Kränkungen beim Ringen um eine Kernidentität oft zu einem erstaunlich destruktiven Cocktail vermischen. Die psychotherapeutische Kompetenz mit ihrem Schwerpunkt auf Selbstreflexion scheint dies nicht verhindern zu können. Ähnliche Prozesse zeigen sich im Bereich der Berufspolitik. Offen ist, ob dieses Phänomen im Rahmen der Akademisierung der Psychotherapie untergeordnet bleibt. Der Text schließt mit einer kurzen theoretischen Betrachtung, in der die »positive Beachtung« des Anderen – eine der drei von Carl Rogers formulierten förderlichen zwischenmenschlichen Grundhaltungen – und die fundamentale soziale Natur des Menschen als zentral erachtet werden. Respekt vor dem Anderen und seinem Anders-Sein steht dabei in einer wechselseitigen Verbindung zur intrapsychischen Pluralität, wobei sich die Heterogenität des »sowohl- als auch« einer rigiden Strukturgebundenheit im Sinne von »entweder-oder« in der Regel überlegen zeigt.