Internationaler Kongress für Angewandte Tiefenpsychologie 2025

17.-18. Jänner 2025
Veranstaltungsort
AKH, Hörsaalzentrum
Wien

Kongressleitung: Michael Rosner
Kongresskomitee: Bernhard Brömmel, Berta Pixner, Angela Teyrowsky, Carin Weissenbeck, Dominik Witzmann
Organisation und Veranstalter: ÖGATAP und ÖGATAP gGmbH

ANMELDUNG

Coverfoto Kongress

SCHWIERIGES UND FÖRDERLICHES IN DER PSYCHOTHERAPIE

Psychotherapie umfasst ein unglaublich breites Behandlungsfeld mit unendlich
vielen Variablen. Diese Tagung hat sich zum Ziel gesetzt, Schwieriges erkennbar zu
machen und aufzuzeigen, wie es überwunden werden kann und dadurch, auch wiederum
zum Förderlichen wird. Eine kleine Aufzählung der Bereiche, ohne klarerweise
vollständig zu sein, dürfen wir hier geben.

Die Behandlungssituation selbst ist komplex, vieldeutig und es gibt nicht die eine
richtige Lösung. Damit ist der Verlauf unsicher, instabil und nicht vorhersehbar. Die
Bewältigung der Unsicherheiten und das Aushalten und Halten der Situation wird
zum Förderlichen führen. Die Psychodynamik per se hat etwas Schwieriges, weil wir
mit dynamischen, sich auch ändernden Variablen arbeiten.

Wir nützen dabei gleichzeitig viele Theorien mit noch dazu unterschiedlicher Begrifflichkeit.
Die Transformation der Theorie in die Praxis ist daher nicht einfach, aber gleichzeitig so notwendig.

Umgekehrt muss das klinische Bild auch laufend in abstrakte Termini übersetzt werden.
Eine Übersetzung, die wir für Behandlungspläne, Inter- und Supervisionen, aber auch für die Anträge an die Krankenkassen brauchen.

Selbsterfahrung und Supervision sind notwendig, um unter anderem eigene blinde
Flecken zu erkennen und damit zum Förderlichen beizutragen. Qualität zu vergleichen
ist nicht leicht – weil die Outcome-Messung nicht einfach ist. Ein wissenschaftlicher
Ansatz und Vergleich kann uns helfen, Förderliches besser zu identifizieren.

Es gibt in der Therapie immer wieder Krisen, ausgelöst durch Außenstehendes oder
durch die Therapie selbst. Krisen, die oft mit Angst besetzt sind und die es zu überwinden
gilt, um wiederum zu Förderlichem zu kommen.

Im klinischen Behandlungsfeld gilt es affektiv Schwieriges zu identifizieren, wenn
wir z. B. an die Bedeutung der emotionalen Verwicklung bei stark agierenden Patient:
innen denken. Der Umgang mit der negativen Übertragung ist dabei besonders
wichtig. Unter dem affektiven Druck der Behandlungssituation kann das Denken
und das Wissen nur beschränkt aufrechterhalten werden. Umgekehrt ist es schwierig
Patient:innen, die eher zurückgezogen sind, seelisch zu erreichen.

Das Schwierige in der Psychotherapie ist auch, dass die Informationen des Seelischen
immer auf mehreren Kanälen gleichzeitig erfolgen. Wir sind immer mit mehreren
Beziehungsebenen gleichzeitig beschäftigt und konfrontiert, die entsprechend
auch mehrere Haltungen erfordern.

Wir freuen uns über Ihre aktive Teilnahme und hoffen, dass die Tagung dazu beitragen
kann manches Schwierige in der Therapiestunde besser zu bewältigen.

Veranstaltungsprogramm

Dateityp: PDF-DokumentPDF Dateigröße: 107 KB

Hauptvorträge Freitag 18.1.2025

In diesem Vortrag steht die „therapeutische Imagination“ (W. Dieter, 2015) als etwas Einzigartiges im Fokus der Betrachtung. Was sind ihre Charakteristika und Unterschiede zu einer Fantasie, einem Nachttraum bzw. Tagtraum? Wie kommt das Schwierige oder das Förderliche in einer Imagination zum Ausdruck? Wie kann sie im therapeutischen Prozess hilfreich sein und Symbolisierungs- und Mentalisierungsfähigkeit fördern? Welche Rolle spielen dabei die/der Therapeut*in und die aktuelle „intersubjektive Übertragungsmatrix“ (Ermann 2014)? Auf dem Hintergrund der neuen intersubjektiven tiefenpsychologischen Konzepte wird anhand von Fallvignetten aufgezeigt, welche Funktionen die therapeutische Imagination im Dialog mit sich selbst und dem Anderen entfalten kann bzw. wie eine Fantasie zum psychischen Raum wird.

Das Konzeptualisieren von Fällen ist innerhalb der Psychotherapie zentral. Fallberichte spielen dabei nicht nur im Rahmen des deutschen Antrags- und Gutachterverfahren, sondern in zahlreichen allgemeinen Psychotherapie-Kontexten eine wichtige Rolle (Ausbildung, Supervision, Intervision, Klinikberichte, Dokumentation, QS, Behandlungsplanung etc.). Im Alltag erscheint diese ambivalente Anforderung zugleich hinderlich wie förderlich: Trotz der unterschiedlichen Hürden für die anspruchsvolle Fallkonzeption erleben wir dennoch den hohen Nutzen für das eigene klinische Fall-Verständnis, was auch von der Psychotherapie-Forschungen bestätigt wird. Nach einführenden Informationen zur internationalen Fallkonzept-Forschung geht der Vortrag zunächst auf die Frage ein, welche emotionalen und kognitiven Anforderungen das Konzeptualisieren benötigt und warum das Konzeptualisieren häufig so schwerfällt. Innere und äußere Widerstände und Anforderungen -auch mit Blick auf eine stark diversifizierte analytische Theorielandschaft - werden insbesondere für psychoanalytische bzw. tiefenpsychologische Psychotherapien diskutiert.

Der Referent stellt schließlich aus seiner über 15jährigen Fort- und Weiterbildungs-Erfahrung im Kontext von Didaktisierung und Konzeptualisierung verschiedene eigene Modelle und Heuristiken zur psychodynamischen Fallkonzeptualisierung vor, in denen die unterschiedlichen ätiologischen Modelle (Konflikt, Struktur, Trauma) Berücksichtigung finden. Diese Konzepte, Heuristiken und Leitfäden werden praxisnah vorgestellt, angewandt und diskutiert.

Befragung:

Wenn Sie Ihre Meinung zum Thema vorher mitteilen wollen, wurde anlässlich des Vortrags zum Thema eine anonyme Online-Befragung (freiwillig) erstellt von Dr. Jungclaussen.
Befragung hier: https://forms.gle/bMkt7gYiiu3xfZrY6
Bei technischen Problemen mit der Befragung schreiben Sie bitte an info@psy-dak.de

Hauptvorträge Samstag 19.1.2025

Während die Übertragung in ihrer Bedeutung für die Psychoanalyse von Sigmund Freud schon früh erkannt wurde, rückte die Beachtung der Gegenübertragung – als die daraufhin erfolgende innere Antwort des Analytikers oder der Analytikerin – erst in den 1950er Jahren in den Fokus der psychoanalytischen Theoriebildung. Vor allem bei Patientinnen und Patienten mit Persönlichkeitsstörungen kommt es häufig zur Entwicklung von Vorwürfen, Beschuldigungen und Entwertungen gegenüber der Therapeutin oder dem Therapeuten. Dies stellt von therapeutischer Seite eine große Herausforderung dar, weil es in der Regel sehr schwerfällt, ein Containment für diese hitzigen Affekte zur Verfügung zu stellen und für die Therapie nützlich werden zu lassen. Stützende Therapien vermeiden solche Entwicklungen, ohne sie zu bearbeiten. Sie werden dort eher als Entgleisung des therapeutischen Prozesses verstanden. In der analytischen Psychotherapie – z.B. in der übertragungsfokussierten Psychotherapie nach Kernberg (TFP) – wird dagegen genau darauf fokussiert und daran gearbeitet. Die aggressiv getönten Prozesse passieren den Patientinnen und Patienten im Alltag ohnehin; dass sie auch in der Therapie stattfinden und im hier und jetzt erlebt werden, eröffnet die Möglichkeit, dass solche Affekte nicht nur agiert, sondern auch bearbeitet werden können. Das bedeutet, dass auf Therapeutenseite die affektive Resonanz einer negativen und aggressiven Übertragung erlebbar (und aushaltbar!) werden muss, damit sie bearbeitbar wird und auf diesem Wege eine strukturelle Veränderung der Persönlichkeit der Patientinnen und Patienten auf den Weg kommen kann.

Wenn es um Schwieriges und Förderliches in der Psychotherapie geht, dann wird vor allem an die Übertragungsprobleme einerseits von der Analytiker:in und andererseits von der Analysand:in gedacht. Denn auch die Analytikerin macht Übertragungen, diese finden vor jenen der Analysandin statt.

Was mich seit einiger Zeit interessiert, ist die LGBTIQ+ Bewegung und ihre Auswirkungen im therapeutischen und analytischen Setting. Denn wie Rauchfleisch betont, sind die Herausforderungen mit Trans*menschen gross2. Und ebenso die Angstabwehr im Zusammenhang mit der Queer-Bewegung. Das erlebe ich immer wieder in den Supervisionen. Im Grunde sprechen wir von einer Triebabwehr, bezogen auf Homosexualität, Bisexualität, Intersexualität, Transsexualität – was auch immer. So kann man sagen, dass es in der Übertragung nicht nur um hetero- oder homosexuelle Ängste oder Phobien geht, sondern ganz allgemein um Ängste vor dem Sexuellen in all seinen Facetten; das zeigen uns die Queeren im Verhältnis zu den Cis-Menschen.

Denn Trans*menschen werden zunehmend auch Cis-Therapeut:innen aufsuchen, falls sich diese überhaupt zur Verfügung stellen. Das ist noch nicht so eindeutig, auch wenn die Binarität langsam aufgebrochen wird und die Toleranz grösser geworden ist. Die Akzeptanz ist es noch lange nicht.3 Die gewohnte binäre Gesellschaftsordnung aufzugeben ist Angst-besetzt, weil das Neue ungewohnt und fremd ist.

Laplanche wird mich theoretisch begleiten, wie er dies schon seit 1994 tut. Er ist einer der ersten Psychoanalytiker, der in seinem Text «Gender – Sex – Sexual» (2004) aufzeigt, wie man über Gender nachdenken kann. Da tun sich bekanntlich auch Analytiker:innen und Therapeut:innen schwer.4 Aber wenn die Konfrontation mit dem Fremden oder dem Triebhaften, von Analytiker:innen und Therapeut:innen selbst ausgeklammert wird, machen sich unweigerlich Probleme und Stagnationen in Therapien und Analysen bemerkbar. Diese können als Übertragungen – oder anders gesagt: Vorurteile – gegenüber queeren Menschen verstanden werden, welche das therapeutische Klima schwierig machen.

Paul B. Preciado5 liegt richtig, wenn er sagt: über Gender kann man reden, nicht aber über Sex... und schon gar nicht über das Sexuale. Er hat recht.

1 Waldenfels, Bernhard (2019): Erfahrung, die zur Sprache drängt. Studien zur Psychoanalyse und Psychotherapie aus phänomenologischer Sicht. Suhrkamp: Berlin
2 Transsexualität – der schwierige Weg der Entpathologisierung. BSG. 13.10.2020. (Video-Interview)
3 Das meint auch Udo Rauchfleisch.
4 Kritik an Lemma & Lynch von Tjark Kunstreich
5 Paul B. Preciado ist ein spanischer Philosoph und Queer-Theoretiker, der in Paris lebt, schreibt und arbeitet.1

Patienten, die dazu neigen sich zurückzuziehen - auf der Verhaltensebene sowie psychisch - stellen uns vor besondere behandlungstechnische Herausforderungen. Kontaktaufnahme und Verstehen-Wollen seitens des Therapeuten lösen, je nach Charakterstruktur und Persönlichkeitsorganisation des Patienten, auch in der Übertragungsbeziehung unterschiedlich angstbesetzte Rückzugsbewegungen aus. Ein differenziertes Verständnis ist. notwendig, um therapeutisch sinnvoll damit umzugehen. Wann wissen wir, ob kühle Arroganz, emotionale Distanziertheit und überwertige Selbstbezogenheit eher einer schizoiden Störung zuzuschreiben sind oder aber einem narzisstischen Charakter entspringen? Wann verweist ein unsicher-vermeidend anmutender Bindungsstil auf die mühsam in Schach gehaltene Angst vor einem Zusammenbruch der Selbst-Objekt-Grenzen, vor Verschlungenwerden und Selbstverlust? Und wann eher auf eine unbewusste Angst vor beschämenden Entlarvungen des eigenen Kleinheitsselbst?

Schizoidie und bestimmte Merkmale des pathologischen Narzissmus haben eine phänomenologisch-deskriptive Schnittmenge, die vor allem in therapeutischen Erstkontakten für Verwirrung sorgen kann. Die Unfähigkeit zu reifer Liebe und Hingabe, das durchaus bewusste Vermeiden von tiefer gehenden sozialen und emotionalen Kontakten, die nicht selten als unerträglich empfundene physische Präsenz eines anderen Menschen sind charakteristischer Ausdruck des In-der-Welt-Seins dieser Patientengruppen. Und doch gibt es ganz grundlegende Unterschiede in der Art und Weise, die eigene psychische Homöostase zu regulieren und die innere Welt in der Übertragungsbeziehung zum Therapeuten „in Szene zu setzen“. Vor allem in der Behandlung der Schizoidie ist es über weite Strecken vor allem unsere Gegenübertragung, die uns als „Königsweg“ zum Verständnis eines Patienten und seines inneren Erlebens dient. Oft stehen wir sozusagen „über die Bande“ im Austausch mit dem Patienten und erleben seine „Berührungsängste“ in vielfältiger Form. Es ist jedoch stets unser psychischer Binnenraum und unsere Fähigkeit zur „Rêverie“, die uns die Lage versetzen, Zugang zum tief verstörenden Erleben des Patienten zu finden.

Kurzvorträge Samstag, 14:45-16:15 Uhr (paralell)

KV 1 Julia Brandmayr: (Don´t) Speak: Über den Umgang mit Selbstoffenbarungen in der Psychotherapie

Durch die Veränderungen in der psychoanalytischen Theorie hin zu einer Zwei-(Objektbeziehungstheorie) bzw. Drei-Personen-Psychologie (Intersubjektivität) sind die alten Konzepte von Abstinenz und technischer Neutralität neu zu überdenken. Selbstoffenbarungen als Möglichkeit die Gegenübertragungen offen zu legen, werden durch die intersubjektive Theorie als Möglichkeit gesehen die Therapie zu bereichern. Formen der Selbstoffenbarung, Möglichkeiten und Grenzen sollen in diesem Vortrag diskutiert und mit Fallbeispielen angereichert werden.

KV 2 Stephan Engelhardt: »Wenn die Worte fehlen« - die »Szene« als »komplexes Symbol« deuten

»Wenn die Worte fehlen« - die »Szene« als »komplexes Symbol« deuten
»Gewalt« und »Begehrens« - über die Schwierigkeit, die rätselhaften Botschaft der »Szene« zu verstehen und die förderliche Nutzung von unterschiedlichen theoretischen Konzepten am Beispiel der Performance »Faust« von Anne Imhof im deutschen Pavillon Biennale Venedig 2017

»Faust«: Eine junge Frau sitzt auf dem Rücken eines jungen Mannes und fixiert ihn lange mit ihrem Knie auf dem Boden. Er wehrt sich nicht.

Ein junger Mann ringt mit der jungen Frau, sie greifen und fassen sich, ziehen und pressen mit ruhigen, gezielten Bewegungen, so dass einmal sie und einmal er die Oberhand zu gewinnen scheint.

Zwei Frauen umarmen sich und ziehen aneinander, bewegen den Köper der anderen und lassen sich bewegen.

Diese Szenen anzusehen kann schwierig sein, noch schwieriger ist es, diese zu verstehen. Die Situationen der Gewalt und des Begehrens erklären sich nicht selbst. Diese »rätselhafte Botschaft« (Müller-Pozzi, 2002, S. 28) zu dechiffrieren fällt schwer. Förderlich ist, das Unverständliche, die komplexe Symbolik der Szene zu erkunden.
Anne Imhof führte diese Szenen in ihrer Performance »Faust« im deutschen Pavillon der Biennale 2017 auf.
Ähnliche Situationen des wortlos mimisch-gestisch »miteinander Handelns« (Stern, 2004, zit. 2005, S. 88) kennen wir aus dem klinischen Kontext. Diese intersubjektiven Momente aktivieren über eine nonverbale Kommunikation unser »implizites Wissen« (Mertens, 2013, S. 818). Im Alltäglichen verfügen wir darüber, können das mimisch gestische Geschehen deuten, in konflikthaften Situationen steht uns dieses Wissen nicht zu Verfügung. Förderlich ist es, diese Szenen mit Worten zu beschreiben. Wir können mit Worte uns erklären, was hier geschieht und die Szenen mit verschiedenen theoretischen Konzepten umkreisen. Wir erahnen, was in der Vergangenheit so befürchtet und ersehnt wurde, dass es sich hier und jetzt neu in einer Szene formulieren musste, dann verstehen wir, wie die Szene »körperlich verankerte frühe Objekt-Beziehung« (Bohleber, 2013, S. 811) darstellt und die »Wendung der Libido« (Freud S. , 1920g, zit. 1999, S. 59) nachvollzieht. Die Schwierigkeit dabei ist, die divergierenden Erkenntnisse hinreichend gut zu moderieren, um sie im Sinne der »therapeutischen Zielvorgabe« nützlich machen zu können.

KV 3 Elisabeth Hölbling: Übertragung ist dort, wo die Angst am stärksten spürbar ist –Förderliches und Hinderliches im Umgang mit Angst in der Übertragung

Übertragung und Gegenübertragung sind zentrale Konzepte im psychotherapeutischen Verstehensprozess. Negative Übertragungen können dabei eine besonders herausfordernde Rolle spielen, insbesondere wenn sie das therapeutische Geschehen dominieren. Während bei höher strukturierten Patient:innen negative Übertragungen häufig erst im späteren Therapieverlauf auftreten, sehen sich Therapeut:innen bei Patient:innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsorganisation oft bereits zu Beginn der Behandlung mit intensiven negativen Übertragungen konfrontiert.

In diesem Vortrag wird beleuchtet, wie die Angst der Therapeut:innen vor Ablehnung, Aggression oder etwa unangenehmen Reaktionen dazu führen kann, dass positive Übertragungen gefördert und negative Übertragungen – wie Wut, Scham, Neid oder Ekel – vermieden werden. Es wird untersucht, wie diese Vermeidung mit den eigenen, durch ähnliche emotionale Aspekte der Patient:innen ausgelösten Ängste der Therapeut:innen zusammenhängt und dadurch ein Nicht-Verstehen bzw. Lähmendes im therapeutischen Prozess entstehen kann. Darüber hinaus wird der Zusammenhang zwischen der Wiedergutmachung beschädigter innerer Objekte der Therapeut:innen und den daraus resultierenden Herausforderungen im therapeutischen Prozess erörtert.

Abschließend wird diskutiert, wie die bewusste Auseinandersetzung mit negativen Übertragungen, durch die Identifizierung negativer Teil-Objekte und auch mit deren Identifizierung im Sinne einer Rollenübernahme (Sandler 1976), Patient:innen dabei unterstützen kann, sich von destruktiven Objekten zu distanzieren und zu einer verbesserten psychischen Integration zu gelangen.

KV 4 Hans-Peter Bilek: „Vom Guten des Schlechten“, Psychosomatik in der Onkologie

Die Psychosomatik ist ein ungeheurer Benefit in der Humanmedizin, sowohl ethisch als auch ökonomisch. Dies wird mehr und mehr erkannt und sie wird daher mehr und mehr in den medizinischen Alltag integriert - mit Ausnahme in der Onkologie, wo nahezu eine aversive Haltung ihr gegenüber besteht. Dieser Vortrag gibt einen Überblick über den aktuellen Stand psychosomatischer Zugänge in der Onkologie, beginnend mit A. Mitscherlich und endend mit Th. v. Uexküll.

Ein wesentlicher Teil des Vortrages ist der im Titel genannte Ansatz „Vom Guten des Schlechten“, der aufzeigt, dass man dem Patienten / der Patientin die Sinnhaftigkeit seiner / ihrer Erkrankung nahebringen kann.

KV 5 Brigitte Fiala-Baumann: Förderliches und Hinderliches in der Arbeit mit Eltern oder "wie der Ball ins Rollen kommt"

In der psychotherapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nimmt die Elternarbeit einen wichtigen Teil ein. Ob Beziehungsallianzen gebildet werden können oder schwierig sind, hängt von unterschiedlichen Variablen ab. Anhand von kurzen Fallbeispielen sollen die Voraussetzungen für eine gelingende Elternarbeit in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapien dargestellt werden. Besonders das KIP-Motiv Ball wird dabei eine begleitende Rolle spielen. Ebenfalls soll auf Grenzen der Arbeit mit Eltern hingewiesen werden. Wo Rahmenbedingungen verletzt werden oder von Beginn an schwierig sind, kann Abgrenzung zunächst Hinderliches verändern. Dabei kann auch ein Ablehnen von Elternarbeit oder des therapeutischen Prozesses für den Gesamtentwicklungsprozess von Patient:innen förderlich sein.

KV 6 Marion Schaunig: Autismus und Trauma: Zur psychodynamischen Behandlung von Kindern mit Autismus-Spektrum- und Traumafolgestörungen

Sowohl die Entstehung als auch die Behandlung von Autismus wird in der Literatur kontroversiell diskutiert. Dass es eine genetische Disposition für die Erkrankung gibt, scheint unbestritten. Fraglich hingegen ist, ob Umweltfaktoren einen Einfluss auf die Genese haben. Psychodynamische Autor:innen, wie Dr. Ellen Lang-Langer (2024), vertreten die Hypothese, dass Autismus seinen Ursprung in der sehr frühen Mutter-Kind-Beziehung findet. Die Folgen von traumatischen Erlebnissen der Mutter, häufig transgenerationaler Art, könnten zu einer radikalen Abkehr des Säuglings vom Objekt führen.

In der klassischen Behandlung von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen liegt der (verhaltens-)therapeutische Fokus auf dem Erlernen von Fertigkeiten. Eigens dafür entwickelte Therapieprogramme (A-FFIP, TEACCH...) zeugen davon. Die seelische Abkapselung der jungen Patient:innen scheinen die Behandler:innen dabei als etwas Unveränderbares hinzunehmen. Vielerorts gelten psychodynamische Therapien sogar als kontraindiziert, da Eltern zu sehr schuldig gesprochen würden. Spaltungen und eine starke schwarz-weiß-Sicht prägen die Erforschung des Autismus.

Doch was bedeutet das für uns psychodynamische Psychotherapeut:innen? Dürfen, können, sollen wir das Herstellen eines seelischen Kontakts zu unseren jungen Patient:innen als Ziel der Behandlung sehen? Welche Bedeutung haben Übertragung und Gegenübertragung in einer Psychotherapie von Autismus-Spektrum-Störungen?

Lang-Langer beschreibt ihre Therapien als Begegnungen jenseits der Worte, ähnlich einer Mutter mit ihrem Säugling, nur wesentlich anstrengender. Anstatt eines aktiven Gegenübers finden Psychotherapeut:innen hingegen Kinder vor, die sich in einer andauernden Abkehr vom Objekt befinden. Im Laufe der Behandlungsdauer kann jedoch eine Art averbales Fundament geschaffen werden, auf dem Worte bedeutungsvoll werden können.

KV 7 Kristiina Linna-Lutz: „Mutter- und Vaterbilder in Paarbeziehungen“

In diesem Vortrag geht es darum, wie sich unsere inneren Mutter- und Vaterbilder in der Paarbeziehung auswirken können. Als Fallbeispiel möchte ich einen paartherapeutischen Prozess darstellen, in dem es beim Mann einen massiven unaufgelösten Konflikt mit seiner verstorbenen Mutter gibt. Diesen Konflikt bekommt seine Frau stellvertretend deutlich zu spüren.

Derartige Konflikte sprengen häufig den Rahmen von Paartherapien, da es ja im Kern um eine individuelle Problematik geht, die auf die Paarbeziehung ausstrahlt. Im paartherapeutischen Prozess ist es aber nicht möglich, einem der Partner den Großteil der Aufmerksamkeit und Zeit zu widmen. Andererseits ist es auch nicht einfach, im paartherapeutischen Prozess einem der Partner zu empfehlen, zusätzlich eine Einzeltherapie zu machen.

KV8 Barbara Laimböck: ZWISCHEN SCHAM, TABU UND LUST: Weibliche Sexualität im Alter

Ältere Frauen verbergen oder unterdrücken häufig nicht nur ihre Wünsche nach Sexualität, sie vermeiden es auch, Sexuelles im therapeutischen Setting anzusprechen. Daher bleibt das Tabu, gebildet aus Angst, Scham, befürchteter Ablehnung und oft auch aus traumatischen Erfahrungen oft auch in Psychotherapien aufrecht. Freuds Frage: „Was will das Weib?“ (Freud, 1933a, S. 124) ist nach wie vor aktuell. Daher wollen wir den Umgang mit dem tabuisierten Thema von Scham, Tabu und Lust weiblicher Sexualität im Alter nachgehen. Wie verändern Alter und individuelle Erfahrungen die Sexualität von Frauen? Wie fluide ist weibliche Sexualität und welche Besonderheiten zeigen sich bei weiblicher Sexualität im Alter?

KV9 Daniel Gutschi-Kremser: T: „Ich schlage Ihnen eine Imagination vor.“ P: „Nein!“
Über die Schwierigkeiten, mit Patient*innen zu bildern

In diesem Kurzvortrag beschäftigen wir uns mit Dynamiken, die uns glauben lassen, dass eine katathym imaginativen Psychotherapie auch ohne Imaginationen auskommen kann. Anhand einer Fallvignette soll exemplarisch dargestellt werden, welche Hindernisse hierbei eine Rolle spielen können und welche Möglichkeiten es gibt, diesen Dynamiken im Übertragungs-/Gegenübertragungsgeschehen, in dem auch Verführung oder z.B. Bedrohung eine Rolle spielen können, zu begegnen.

KV10 Julia Graf-Neumann: Hilfreiche Trancen bei schwierigen Übertragungssituationen

Insbesondere bei Klient:innen mit Frühstörungen sind wir häufig mit negativen Übertragungen konfrontiert. Lösungsorientiertes oder ressourcenorientiertes hypnotherapeutisches Vorgehen kann daher erschwert sein und es ist oft notwendig und sinnvoll die Arbeit in und an der Übertragung in den Fokus der Behandlung zu stellen, um Therapiefortschritte zu erzielen. In diesem Kurzvortrag wird anhand eines Fallbeispiels Input geliefert, wie dahingehend Trancen zur Arbeit mit der therapeutischen Beziehung eingesetzt werden können.

Workshops Samstag, 16:30-17:30 Uhr

Workshop zum Vortrag

Workshop zum Vortrag

Workshop zum Vortrag

Workshop zum Vortrag

Workshop zum Vortrag

Psychotherapie bewegt sich in gesetzlichen und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen, die von gesellschaftspolitischen, ökonomisch-wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Kriterien bestimmt sind und politisch ausverhandelt werden müssen - erst kürzlich ist ein neues Psychotherapiegesetz beschlossen worden. Dabei steht sie in Konkurrenz zu anderen Angeboten wie der klinischen Psychologie oder der Psychiatrie, was Wirksamkeit, Effizienz und Qualitätssicherung betrifft.

Durch die Ökonomisierung und auch Medikalisierung sämtlicher Lebensbereiche ist Psychotherapie zudem mehr und mehr eine Dienstleistung geworden, die auch mit vermehrten Ansprüchen und Wünschen einerseits von „Kund:innen/“Konsument:innen“ aber auch durch Erwartungen von politisch-volkswirtschaftlicher Seite her unter Druck kommt.

Aus ethischer Perspektive ist die psychotherapeutische Situation eine Dialogsituation, in der sich das Handeln an der Notlage und Hilfsbedürftigkeit des Hilfesuchenden zu orientieren hat. Es geht wesentlich um Empathie, Helfen, Begegnung und das Wohl und die Würde des/der Hilfesuchenden – eine ganz andere Konzeption des Verhältnisses wie sie etwa im Bereich der Ökonomie vorzufinden ist und wie sie wissenschaftlich in ihrer Komplexität und spezifischen Individualität zu fassen ist. Dieser Raum bedarf daher des Schutzes. Gleichzeitig ist es uns Therapeut:innen gegenüber der Allgemeinheit aber auch geboten, mit den von ihr bereitgestellten Ressourcen verantwortungsvoll und gerecht umzugehen.

In diesem Workshop wird uns die Binnenstruktur der therapeutischen Situation in Abgrenzung zu den Rahmenbedingungen vor allem in ethischer Hinsicht beschäftigen. Wir werden diskutieren und reflektieren, wie wir mit diversen Dilemmata und Widersprüchen umgehen und welche Folgen sich daraus ergeben.

Referent:innen

Hans Peter Bilek, Dr. med., FA für Psychiatrie/Neurologie, Psychotherapeut (Individualpsychologie, Gestalttherapie), Fachgebiet Psychoonkologie, gerichtlich beeideter und zertifizierter Gutachter, Lehrtherapeut der österreichischen Ärztekammer

Julia Brandmayr, Mag.a, KIP-Therapeutin, partielle Lehrtherapeutin KIP, Sandspieltherapeutin, eigene Praxis Linz

Jadranka Dieter, Dr.in, phil., Klin. und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin (KIP, ATP), Lehrtherapeutin (KIP, ATP), Säuglings-, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin, eigene Praxis für Kinder, Jugendliche und Erwachsene Wiener Neudorf

Stephan Engelhardt, Mag. art. Dr. phil., Psychotherapeut für KIP, Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche, Kunst- & Theater-Pädagoge, Regisseur, eigene Praxis Wien

Brigitte Fiala-Baumann, Mag.a Dr.in, Klin. und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin (KIP), Lehrtherapeutin mit partieller Lehrbefugnis für KIP, Lehrbeauftragte im WBC f. Säuglings-, Kinder- und Jungendlichenpsychotherapie der ÖGATAP, eigene Praxis Innsbruck

Julia Graf-Neumann, Mag.a, Klin. und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin (HY), Lehrtherapeutin mit partieller Lehrbefugnis (HY), eigene Praxis Baden bei Wien

Daniel Gutschi-Kremser, MSc, Psychotherapeut (KIP), Sexualtherapeut, Master of Science in Social Work, Diplomsozialbetreuer im Schwerpunkt Behindertenbegleitung, Lehrer an der höheren Lehranstalt für Pflege und Sozialbetreuung, eigene Praxis Graz

Petra Holler, Dipl. Psych., Psychoanalytikerin (DGPT), Lehranalytikerin (BLÄK), Supervisorin (BLÄK), TFP-Therapeutin, Dozentin und Supervisorin für TFP (ISTFP), Weiterbildungsleiterin des TFP-Instituts München e.V.

Elisabeth Hölbling, MSc, Psychotherapeutin (KIP, TFP), Supervisorin (ÖBVP, ÖVS), Lehrtherapeutin mit partieller Lehrbefugnis, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Eltern-Kleinkindtherapie, eigene Praxis Wien

Ingo Jungclaussen, Dr. phil. Dipl.-Psych., Prof. für klinische Psychologie in Köln, Gründer des Fortbildungsinstitutes für Psychodynamische Didaktik, freie Praxis Düsseldorf

Anna Koellreuter, Dr.in phil., klin.Psychologin ASP, Psychoanalytikerin, Mitglied PSZ (psychoanalytisches Seminar Zürich), Supervisionen an Institutionen, Workshops, Publikationen zur Analytikerin im Analyseprozess und zur Triebverdrängung in der Analyse, eigene Praxis Biel/Bienne

Werner Köpp, Priv. Doz. Dr. med., FA für Psychosomatik u. Psychotherapie, FA für Innere Medizin, Psychoanalytiker, Lehranalytiker. Tätigkeit in eigener psychoanalytischer Praxis, Lehrbeauftragter und Research Fellow an der IPU Berlin, Forschungsschwerpunkte, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen, Ausbildungsfragen

Barbara Laimböck, Dr.in med., FÄ für Anästh. und Intensivmedizin, Ärztin für Allgemeinmedizin, Universitätslektorin der SFU Wien und der SFU Berlin (Kunsttherapie, Psychotherapiewissenschaften), Psychotherapeutin (KIP) und Hypnose (MEGA), eigene Praxis Wien

Kristiina Linna-Lutz, Psychotherapeutin (KIP), Paartherapeutin, Lehrbeauftragte für Paartherapie der ÖGATAP, Supervisorin für Paartherapie und Musiktherapie, eigene Praxis Wien

Hermann Pötz, Dr., klin. Psychologe, Psychotherapeut, Lehrtherapeut m. voller Lehrbefugnis (KIP), Weiterbildungszertifikat Grundstufe Autogene Psychotherapie, dzt. 1. Vorsitzender der ÖGATAP, Sanatorium Hera und psychotherapeutische Praxis in Wien

Marion Schaunig, Mag.a, Psychotherapeutin (KIP), Child Guidance Clinic, eigene Praxis Wien


Info zur Anmeldung

office@oegatap.at

Stornobedingungen

Bei Abmeldung nach dem 6. 1. 2025 ist eine Stornierung leider nicht mehr möglich, die gesamte Kongressgebühr wird in Rechnung gestellt.